Hintergrund Story zum Song „Die Freiheit lieben“ für das SARA Projekt bei WORLD VISION

Nach „Wir stehn auf“ möchte ich mich mit „Die Freiheit lieben“, meiner 2. Single aus dem Album „Auf zu neuen Ufern“, das Mitte August bei SCM Hänssler erscheint, für Kinder in Flüchtlingslagern stark machen, die dringend unsere Stimme brauchen. Der Song ist am Freitag auf You Tube und allen gängigen Streaming-Plattformen erschienen. Nächsten Freitag erscheint im Streaming auch noch die Akustik Version.

Der Song ist in Zusammenarbeit mit unserem Sara Projekt, das meine Frau und ich nach dem Tod unserer Tochter Sara initiiert haben, unter dem Dach von World Vision entstanden. Ich bin seit 2005 musikalischer Botschafter für World Vision. Ich möchte gerade in Corona Zeiten darauf aufmerksam machen, dass es wichtig ist, den Blick über den eigenen Tellerrand hinaus zu riskieren – auch inmitten persönlicher Krisen. Während wir in Sachen Corona weltweit immer noch zu den Privilegierten gehören, haben viele Entwicklungsländer das Schlimmste noch vor sich, ganz zu schweigen von den rund 80 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, die Hälfte davon noch Kinder. 

Wenn man ein Kind verliert, dann wird das eigene Bedürfnis noch größer, andere Kinder zu schützen, die Opfer von Armut, sozialer Not, Missbrauch, Krieg oder anderen Schicksalsschlägen geworden sind oder zu werden drohen. Von den 70 Millionen Menschen, die 2020 auf der Flucht sind, sind mehr als 50 % noch Kinder. Und was sie bereits in jungen Jahren erleiden, sollte kein Kind erleben müssen. Johan Mooij, Leiter des Syrien-Einsatzes von World Vision, hat es so ausgedrückt: „Viele Kinder haben in ihrem Leben nichts anderes als Krieg erlebt. Sie können Bomben nach dem Klang bestimmen, aber kaum ihren eigenen Namen schreiben.“ 

Das ist der Grund, warum meine Frau und ich uns entschlossen, unter der Flagge von World Vision das „Sara Projekt“ für traumatisierte und benachteiligte Kinder ins Leben zu rufen. 

Um mich mit der Arbeit von World Vision in den Flüchtlingslagern vertraut zu machen, habe ich mich Mitte November 2017 mit einem Team der Organisation auf den Weg nach Jordanien gemacht. Ich wollte vor Ort sowohl in den „Child Friendly Spaces“ in der Hauptstadt Amman als auch im Flüchtlingslager in al-Azraq einen Eindruck davon gewinnen, welche konkrete Hilfe World Vision unter syrischen Flüchtlingskindern leistet. Schon der Besuch der Hauptstadt hat uns bewegt, wo Arm und Reich auf engstem Raum nebeneinander existieren. Lebensfreude, aber auch die Nachwehen einer schrecklichen humanitären Krise, die 2017 bereits 1,5 Millionen Flüchtlinge in ein Land mit gerade einmal neun Millionen Einwohnern gespült hatte, bilden einen bedrückenden Kontrast, der die Atmosphäre der jordanischen Metropole prägt. 

Der Syrienkonflikt gehört zu den größten humanitären Katastrophen unserer Zeit und zerstört das Leben und die Kindheit einer ganzen Generation. Das Leid der Menschen macht sprachlos. Nach fast neun Jahren anhaltender Kämpfe, Millionen von Toten, Verletzten und Vertriebenen erreichen die Zahlen der Betroffenen kontinuierlich neue Höchststände: Mehr als fünfeinhalb Millionen Syrerinnen und Syrer sind in die Nachbarländer geflohen, über sechs Millionen Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht und mussten alles zurücklassen. Insgesamt sind fast zwölf Millionen Menschen auf Nothilfe angewiesen – über die Hälfte von ihnen sind Kinder! Mein Freund Christoph Waffenschmidt, Vorsitzender von World Vision, macht immer wieder deutlich: „Kein Mensch verlässt seine Heimat, seine Familie, seine Eltern, Geschwister, Kinder oder Freunde freiwillig! Menschen fliehen, weil sie Bombenterror, Folter, Tod und Grausamkeiten des Krieges nicht mehr ertragen, weil sie diskriminiert und unterdrückt werden, weil sie politisch verfolgt werden und weil sie in wirtschaftlichem und sozialem Elend leben.

Der Besuch eines Flüchtlingslagers wird immer etwas Verstörendes, Widernatürliches haben. Man sagt, dass die Flüchtlingslager von heute die neuen Städte von morgen sind, aber ein von Maschendraht eingezäuntes und von der Armee abgeschottetes Leben sollte keine Normalität sein! Das Lager in al-Azraq, das wir besuchten, liegt ungefähr anderthalb Autostunden von der Hauptstadt entfernt – mitten in der Wüste, unweit der syrischen Grenze. Es wurde 2014 gegründet, und 2019 lebten dort 35 000 Flüchtlinge in den sechs Dörfern, in die der Gesamtkomplex unterteilt ist; die Hälfte davon sind Kinder. Die Fahrt durch das Camp geht wohl deswegen so zu Herzen, weil die überall gleich gestalteten, ärmlichen Behausungen dem Besucher schonungslos vor Augen führen, dass dieses Leben im beständigen Provisorium nur bedingt menschenwürdig ist.

Umso krasser dann der Kontrast, inmitten dieser Trostlosigkeit fröhliche Kinderaugen zu sehen. Weil Liebe selbst harte Herzen erobert und Schönheit überall zu finden ist: Sie liegt im Auge und Herzen des Betrachters. World Vision hat in einem der sechs Dörfer einen Kindergarten gebaut, in dem in zwei Schichten jeweils 150 Kinder drei Stunden lang betreut werden. Und man hat sofort den Eindruck, dass diese Stunden für sie Lichtblicke sind, vielleicht die schönsten Momente des Tages. Zeiten kindlicher Ausgelassenheit, in denen sie erzählen, hüpfen, singen und malen und so ganz kindgerecht spielerisch vieles von dem Unerträglichen für einige Stunden hinter sich lassen können, was ihrem Leben wie ein dunkler Schatten folgt. Selten habe ich einen Ort gesehen, an dem Kinder so friedlich miteinander gespielt haben. Und die Leiterin dieser Oase äußert ganz freimütig, dass sie für die ihr anvertrauten Kleinen eher Muttergefühle empfindet als professionelle Verantwortung. So ertappe ich mich dabei, stundenlang zu lächeln, obwohl dies doch eigentlich ein bedrückender Ort ist. Mir wird bewusst, dass es wenig braucht, um dem Herzen eines Kindes Freude zu schenken! Dass Sicherheit, Geborgenheit, ein wenig Leichtigkeit und das Empfinden, mit den eigenen Bedürfnissen wahrgenommen zu werden, oft viel wertvoller sind als materielle Schätze. Das macht mich im gleichen Maße betroffen und froh.

Durch die humanitäre Welt geistert seit geraumer Zeit ein Modewort: Resilienz. Es steht dafür, eine Widerstandsfähigkeit zu entwickeln, die es uns erlaubt, sich den harten Zeiten des Lebens entgegenstellen zu können, ohne selbst hart und bitter zu werden. Eine Kraft, die uns darauf ausrichtet, das Licht am Ende des Tunnels zu sehen, hoffnungsvoll zu leben und selbst Hoffnungsschenkende zu werden. Meine Familie und ich haben viel verloren. Aber wir sind auch – und trotzdem – Begünstigte. Geliebte. Getragene. Reich Beschenkte. Die eine Stimme haben, die sie gegen das Leid und die Ungerechtigkeit erheben können. Und gegen die Hoffnungs- und Trostlosigkeit einer Welt, die unsere Existenz mitunter an den Rand des Erträglichen bringt.